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Anspruch auf Abgabe mehrerer Hauptangebote ?

Das Bemühen um mehr Wettbewerb, das durch den BGH-Beschluss vom 7. 1. 2014 (X ZB 15/13) einen erheblichen Dämpfer erfahren hat, weil die Voraussetzungen für die Zulassung und Berücksichtigung von Nebenangeboten teils sehr erhöht, teils aber auch mit rechtlichen Unsicherheiten ausgestattet, sind, erfährt nunmehr im Zusammenhang mit Hauptangeboten eine neue Richtung.

Die Hauptneuerung ist, dass mehrere Hauptangebote auch dann ausdrücklich abgegeben werden können, wenn mehrere Varianten für die Abgabe dieser Hauptangebote gar nicht ausdrücklich gefordert worden waren. Dabei hat auch das OLG München im Beschluss vom 25. 11. 2013 (Verg 13/13) lediglich diejenige Rechtsprechung übernommen, welche das OLG Düsseldorf in früheren Entscheidungen vertreten hatte. Namentlich ist zu erwähnen der Beschluss des OLG Düsseldorf vom 9. 3. 2011 (VII-Verg 52/10). In dieser Entscheidung wurde schon angesprochen, dass Hauptangebote auch dann mehrfach abgegeben werden können, wenn sie gar nicht ausdrücklich gefordert waren. Dies ist jedenfalls die Sichtweise des OLG München (Vergabesenat), vertreten durch die RiOLG Petra Willner, die dieses auf einer Vortragsveranstaltung am 9. 7. 2014 („10 Jahre Vergabe aktuell“) äußerte.

Für nicht wenige der Teilnehmer der besagten Veranstaltung der Bayerischen Verwaltungsakademie barg diese Aussage eine handfeste Überraschung. Jedenfalls in dieser Deutlichkeit war es mindestens vom OLG München zuvor nicht entschieden worden, dass eine mehrfache Abgabe von Hauptangeboten ohne ausdrückliche Aufforderung der ausschreibenden Stelle zulässig sein soll. Dieser Umstand ist bisher deshalb nicht so sehr in Erscheinung getreten, weil die Fälle, in denen in den letzten Jahren mehrere Hauptangebote für zulässig erachtet worden waren, sich, soweit ersichtlich, auf solche Fälle bezogen, in denen Varianten von Hauptangeboten klar definiert worden waren.

So sind mehrere Hauptangebote beispielsweise bejaht worden in Konstellationen, in denen es eine Abgabe von Preisen für einen 3-, 5- oder 8-jährigen Laufzeitvertrag abgegeben werden sollten (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. 7. 2005, VII-Verg 45/05). Es sind weitere Fälle bekannt, in denen das OLG Düsseldorf die Abgabe auf Leistungsvarianten bei einem Versicherungsvertrag (mit oder ohne Selbstbehalt bzw. Ein- oder Ausschluss der Versicherung bestimmter Objekte) für rechtens erachtet hatte (Beschluss vom 22. 2. 2012, VII-Verg 87/11). Das OLG München hatte im Jahre 2006 mit Beschluss vom 27. 1. 2006 (Verg 1/06) Leistungsvarianten für ein medizinisches Gerät (MLC 80 oder 120) bejaht, wobei die wertmäßige Variabilität der Leistung auch damals weit mehr als 20% betragen hatte. Nach ausdrücklicher Meinungsäußerung des OLG Düsseldorf in dem Verfahren VII-Verg 87/11 gilt auch die früher für Wahlpositionen lediglich bejahte wertmäßige Leistungsvariabilität von maximal 15 bis 20% in Bezug auf den Gesamtauftragswert ausdrücklich nicht mehr.

Damit sind völlig neue Freiheiten bei der Leistungsbeschreibung eröffnet. Nicht ganz unproblematisch dürfte dabei jedoch sein, dass ein Bieter von sich aus mehrere Hauptangebote unterbreiten kann, auch wenn diese gar nicht zugelassen worden waren. Überraschungseffekte und Einbußen an Transparenz sind dabei nicht ganz ausgeschlossen.

Eine wichtige Voraussetzung für die Wertbarkeit von zwei unverlangten eingereichten Hauptangeboten ist allerdings, dass der Bieter deutlich auf diesen Umstand hinweisen muss, und dass sich außerdem diese Angebote auch technisch voneinander unterscheiden müssen. Darauf weist das OLG München mit Beschluss vom 10.04.2014 (Verg 3/14) hin.

Frau RiOLG Willner vom OLG München wies des Weiteren darauf hin, dass zunehmend extrem detaillierte Leistungsverzeichnisse die Praxis sind. Diese werden häufig von Projektanten/Planern, die nicht selten Produktdatenblätter in das Leistungsverzeichnis hineinkopieren. Konsequenz ist in einem Falle gewesen, dass für die Kücheneinrichtung einer Strafanstalt vom Bieter ein Produkt angeboten wurde, das nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entsprach. Der Bieter hatte ein Herstellerprodukt angeboten, welches aber keine Installationsbrücke enthielt, wie gefordert, sondern eine Installationswand. Da die ausschreibende Stelle jedoch ausdrücklich im Leistungsverzeichnis klargestellt hatte, dass sie eine Installationsbrücke beschaffen möchte, und dies bekräftigt hat mit dem Hinweis auf hygienische Gründe, musste dieser Bieter als mit seinem Angebot als nicht konform ausgeschlossen werden (OLG München, Beschluss vom 10. 4. 2014, Verg 1/14).