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F & E: Vergabe von „Wunschprodukten“?

Die Novellierung des neuen Vergaberechts oberhalb wie unterhalb der EU-Schwelle gibt Anlass, zu fragen, welche Freiheiten bei der Vergabe von Forschungs- und Entwicklungsleistungen („F & E“) bestehen, und ob sich die Prioritäten des Vorschriftengebers geändert haben.

In der neuen Bestimmung des § 8 IV Nr. 6 UVgO lautet es:

„Der Auftraggeber kann Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn es sich um die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zur Erfüllung wissenschaftlich-technischer Fachaufgaben auf dem Gebiet von Forschung, Entwicklung und Untersuchung handelt, die nicht der Aufrechterhaltung des allgemeinen Dienstbetriebs und der Infrastruktur einer Dienststelle des Auftraggebers dienen.“

Zunächst ist festzustellen, dass die Bestimmung im Kern dem bisherigen § 3 V lit. c VOL/A entspricht. Der einzige Unterschied ist, dass die bisherige „Freihändige Vergabe“ nunmehr „Verhandlungsvergabe“ heißt, und dass jetzt ausdrücklich eine solche mit oder ohne vorgeschaltetem öffentlichen Teilnahmewettbewerb erfolgen kann. Dies war bislang nicht so deutlich geregelt. Im Grundsatz dürfen jedoch, wie auch bisher, Leistungen, welche nicht dem allgemeinen Dienstbetrieb zu dienen bestimmt sind, sondern speziell für Zwecke der Forschung und Entwicklung (sog. „F & E-Leistungen“), dem Verfahren einer Verhandlungsvergabe (mit oder ohne Teilnahmewettbewerb) unterworfen werden.

Der Schutz der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 III GG) gilt dabei nicht nur der freien Wahl von Fragestellung und Methodik, sondern auch der praktischen Durchführung von Forschung und Lehre einschließlich der vorbereitenden und begleitenden Tätigkeiten, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Forschung und Lehre stehen. Geschützt ist somit auch die Organisation von Forschung und Lehre. Erfasst sind damit insbesondere die Vergaben von Forschungs- und Entwicklungsaufträgen (F & E).

Wer einzelne Wissenschaftler oder auch eine Forschungseinrichtung einschaltet, um Teile eines Projekts bzw. einer Untersuchung durch deren Forschungs- oder Entwicklungsbeiträge voranzubringen, trifft eine originär wissenschaftliche Entscheidung, die grundsätzlich nicht reglementiert werden darf. Gewährleistet wird ein Recht auf Abwehr staatlicher Einwirkungen auf den Prozess der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 III GG) ist jedoch nicht schrankenlos garantiert. Andere Rechtsgüter wie Finanzwesen/Hauhaltsinteressen etc. setzen Grenzen. Jedoch: Ihre Grenze findet die Bindung an das allgemeine Recht wiederum am Mindestmaß dessen, was notwendig ist, um wissenschaftliche Forschung und Lehre zu betreiben.

Hieraus folgt einerseits, dass Art. 5 III GG weder der Unterwerfung unter deutsches noch unter europäisches Vergaberecht entgegensteht. Andererseits darf die Anwendung des Vergaberechts nicht dazu führen, dass wissenschaftsbedingte Entscheidungen der Träger von Forschung und Lehre verhindert und/oder die Mindestbedürfnisse für die Durchführung von Forschung und Lehre nicht mehr erfüllt werden.

Diese Erwägungen führen zu den nachfolgend genannten Schlussfolgerungen:

  • Die Rechtslage im Rahmen von F & E-Vergaben ist diejenige, dass im Rahmen der Beschaffung durchaus bestimmte Produkte und/oder Methoden vorgegeben werden dürfen, wenn sie und solange sie durch die originären wissenschaftlichen Aufgabenstellungen und Zielsetzungen gedeckt sind und seitens der Wissenschaftler eine möglichst große Plausibilität für die Priorisierung eben dieser bestimmten Verfahrensweisen oder Produkte hergestellt werden kann.
  • Eine Bestätigung durch die wissenschaftlichen Entscheidungsträger ist dem Vergabevermerk bzw. der Dokumentation beizufügen.
  • Dabei muss es sich im Rahmen der Beschaffungsentscheidung nicht zwingend um Alleinstellungsmerkmale im engeren Sinne handeln, sondern es reicht aus, wenn es sich um besondere Verfahren und Produkte handelt, die einem bestimmten wissenschaftlichen Ansatz folgen.
  • Die Grenze des vergaberechtlichen Zwangs, ein produktneutrales Vergabeverfahren zu eröffnen, endet dort, wo dem Rechtsgut der Wissenschaftsfreiheit eine übergeordnete Bedeutung zukommt. Es muss sich nicht zwingend um Alleinstellungsmerkmale bestimmter Produkte handeln, die den Gradmesser in „normalen“, nicht-wissenschaftlichen Beschaffungsvorgängen darstellen. Würde man Alleinstellungsmerkmale oder Aspekte technischer Kompatibilität auch bei F & E-Beschaffungen verlangen, so wäre dieser Sonder-Tatbestand des § 8 IV Nr. 6 UVgO seines wesentlichen Kerns beraubt.