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Neuregelung der Unterschwellenvergabe

Am 31. 8. 2016 legte das BMWi, basierend auf einem Vorentwurf vom 26. 7. 2016,  den Diskussionsentwurf für die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vor. Ziel soll es sein, dass die flexiblen Regelungsansätze des neuen Oberschwellenvergaberechts auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte zur Anwendung gelangen. Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) soll die bisher geltende VOL/A 2009 (1. Abschnitt) ersetzen.

Ein gewisser Vorteil ist einerseits, dass die UVgO strukturell der neuen Vergabeverordnung (VgV) folgt, so dass öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ähnliche Regeln beachten müssen. Dieser Vorteil ist aber insbesondere für kleinere Vergabestellen zugleich auch ein Nachteil. Die stark ausgeprägten Verweise auf das Oberschwellen-Recht (GWB und VgV) führen dazu, dass Kommunen sich auf alle Vorschriftenwerke auch im Unterschwellenbereich stützen müssen.

Die Inkraftsetzung ist – nach Einigung mit den Ländern auf einen gemeinsamen Text – für das 1. Quartal 2017 vorgesehen.

Im Einzelnen

Erfasst sind – im Unterschied zur Regelung des bisherigen § 1 VOL/A – erstmals Vergaben freiberuflicher Leistungen. Allerdings gibt es eine recht „weiche“ Regelung zu freiberuflichen Leistungen in § 12 Abs. 3 UVgO:

„Im Falle einer Verhandlungsvergabe nach § 8 Absatz 4 Nummer 10 bis 14 darf auch nur ein Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes oder zur Teilnahme an Verhandlungen aufgefordert werden. Dies gilt auch für die Vergabe von freiberuflichen Leistungen, die nach einer verbindlichen Gebühren- oder Honorarordnung abgerechnet werden.“

Dies bedeutet aber in der Praxis: Vorsicht bei Fördermitteln! So ist bspw. in den Sächsischen ANBest (Sächsische Aufbaubank, Erläuterungen zu § 44 der LHO, Allgemeine Nebenbestimmungen) sogar festgeschrieben, dass nicht nur drei Bieter aufzufordern sind (von denen möglicherweise nur einer oder zwei tatsächlich anbieten), sondern dass auch im Ergebnis drei  Angebote vorhanden sein müssen. Das kann in der praktischen Schlussfolgerung bedeuten: Es ist besser, z.B. gleich sechs Bieter aufzufordern. Oder man verlässt sich auf die Rechtsprechung des VG Köln (Urt. v. 1. 7. 2015, 16 K 6872/14), wonach mit einem Schwund aufgeforderter Bieter immer zu rechnen ist, was nach Auffassung des dortigen Gerichts allerdings nicht förderschädlich sein soll.

Des Weiteren ist Kritik an § 2 Abs. 3 UVgO anzubringen. Er lautet:

„(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieser Verfahrensordnung berücksichtigt.“

Die Verwendung des Begriffes „Nachhaltigkeit“ wäre besser: Die Aspekte Ressourcenschutz, Lebenszyklus und Lebensdauer fehlen in § 2 Abs. 3 UVgO.

Es gibt drei Säulen der „Nachhaltigkeit“:

  • Kosten
  • Qualität/Umwelt
  • Soziale Belange

Diese finden sich hier nicht wieder.

In § 2 Abs. 5 UVgO „(5) Bei der Vergabe sind die Vorschriften über die Preise bei öffentlichen Aufträgen zu beachten.“ fehlt der exakte Hinweis auf die VO PR 30/53.

Die Regelungen §§ 4 und 5 UVgO (Interessenskonflikte, Projektantenparagraph) sind auch im Unterschwellenbereich zu befürworten, die Inhalte sind entnommen aus den §§ 5 und 6 VgV.

Die Bestimmung des § 6 UVgO erscheint zu grob und nicht für die durchschnittliche Vergabestelle verständlich, wenn es dort lautet: „Das Vergabeverfahren ist von Anbeginn fortlaufend in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu dokumentieren, so dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden.“

Man sollte besser klar bestimmen: Was ist unter „Textform“ zu verstehen? Des Weiteren ist eine Unterscheidung zwischen Dokumentation und Vergabevermerk wie im Oberschwellenbereich (§ 8 I und II VgV) anzustreben.

In puncto Aufbewahrung, § 8 IV VgV, „(4) Die Dokumentation, der Vergabevermerk sowie die Angebote, die Teilnahmeanträge, die Interessensbekundungen, die Interessensbestätigungen und ihre Anlagen sind bis zum Ende der Laufzeit des Vertrags oder der Rahmenvereinbarung aufzubewahren, mindestens jedoch für drei Jahre ab dem Tag des Zuschlags.“ ist zu bemängeln, dass dies keine vernünftige Regelung darstellt. Warum? Mindestens 10 Jahre – bei großen Projekten 15 bis 20 Jahre – Aufbewahrungspflicht sind unbedingt erforderlich.

Die dem Oberschwellenrecht (§ 119 II GWB, § 14 II VgV) nachgebildete Gleichstellung von Öffentlicher und Beschränkter Ausschreibung in § 8 II UVgO, die da lautet: „(2) Dem öffentlichen Auftraggeber stehen die Öffentliche Ausschreibung und die Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb nach seiner Wahl zur Verfügung.“, kann nicht in Förderfällen gelten, denn es gibt dann effektiv weniger Bieter bzw. Angebote.

In den Bestimmungen der §§ 8 IV Nr. 1, 2, 3, und 7 UVgO, welche die Fälle der neu geschaffenen sog. „Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb“ regeln sollen, gibt es zu viel Duplizierungen.

In Sachen des unverhältnismäßigen Aufwandes bei der Durchführung einer förmlichen Ausschreibung (§ 8 IV Nr. 9 UVgO) kann als Praxisbeispiel für einen Verzicht auf Öffentliche Ausschreibung rangieren 70.000 Auslobungskosten für 100.000 EUR Auftragswert, die insbesondere im Falle aufwendiger Teststellungen durchaus anfallen können.

Im Anwendungsbereich des § 14 UVgO, der die Vergaben im Wege eines Direktauftrages regelt: „Leistungen bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 1.000 Euro ohne Umsatzsteuer können unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne die Durchführung eines Vergabeverfahren beschafft werden (Direktauftrag). Der öffentliche Auftraggeber soll zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln.“ würde man sich dezidiertere Regeln im Sinne von Vereinfachungen wünschen: Es geht nicht nur um Direktvergaben im engeren Sinne, sondern auch um bisher so genannte Freihändige Vergaben (jetzt: Verhandlungsvergaben) geringeren Wertes, hinsichtlich der u. a. Regelungen zu Screenshots fehlen, weil z. B. Online-Händler keine Angebote im Rahmen solcher Vergaben abgeben. Zu denken ist dabei auch an Bestimmungen mit der Erlaubnis zur Dispensierung von den Geschäftsbedingungen des öffentlichen Auftraggebers, also der VOL/B, die in § 21 II UVgO aber im Grundsatz als verpflichtend anzuwenden vorgeschrieben wird. Einige Auftraggeber wie z.B. die die Sächsische Aufbaubank (SAB) haben sich eigene Dispensierungen zugestanden: Sie akzeptieren in einigen Verfahren Screenshots von drei Angeboten. Ferner sollte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit von Eignungsprüfungen sollte bei kleinteiligen Vergaben abgeschafft werden.

Gut ist, dass in der UVgO (§ 13) die Bindefrist geregelt ist, sie fehlt in der VgV.

Größere Regelungsintensität findet sich (vorbei an den Bedürfnissen kleinerer Vergabestellen) zu digitalen Besonderheiten wie dynamischen Beschaffungssystemen und dergleichen (§§ 17 bis 19 UVgO ). Nur das Kaufhaus des Bundes hat ein Elektronisches Katalogsystem nach § 19 UVgO. Für 99,9 % der Auftraggeber ist dies uninteressant.

Betreffend die Leistungsbeschreibung ist positiv hervorzuheben § 23 V UVgO, wonach der Verweis auf „oder gleichwertiger Art“ auch weiterhin im äußersten Ausnahmefall fehlen darf, wenn Produkte mit unterschiedlichen Merkmalen gekauft würden, deren Einsatz u. a. zu technischen Schwierigkeiten oder unverhältnismäßigen finanziellen Mehraufwendungen führen würde. So war bisher auch die Regelung des § 7 IV VOL/A ausgestaltet.

Der Verweis auf Gütezeichen ist gemäß § 24 UVgO nun auch im Unterschwellen-Bereich möglich. Dennoch ist zu überlegen, ob nicht darauf zu verzichten ist, weil die Zertifizierungen sehr teuer sind und es z. T. auch an den notwendigen Zertifizierungen fehlt. Mittelstandsfreundlich ist dies nicht. Warum liefert das BMWi als Autor der UVgO keine Liste von Gütezeichen? Zu fragen ist weiter: Wer darf zertifizieren? Welche Gesellschaften stehen dahinter? In Deutschland akkreditiert einzig die DAKKS Zertifizierer. Dies kostet sehr viel Geld und nimmt für finanzschwächere Wettbewerber sehr viel Zeit in Anspruch, bis sie, wenn überhaupt, so weit kommen.

Bzgl. § 25 (Nebenangebote) und Hauptangebote sollte – nicht zuletzt im Nachgang vielfältiger Rechtsprechung mit nicht immer einheitlichen Begrifflichkeiten – eine Definition geliefert werden. Der öffentliche Auftraggeber kann Nebenangebote bei Öffentlichen Ausschreibungen und Verfahrensarten mit Teilnahmewettbewerb bereits in der Auftragsbekanntmachung, ansonsten in den Vergabeunterlagen zulassen oder vorschreiben. Dies ist nicht sinnvoll, da gegen die Transparenzgrundsätze verstoßend.

Die Regelung des § 29 I UVgO zur Bereitstellung der Vergabeunterlagen kopiert § 41 VgV: „(1) Der Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.“

Dies kann das Ende des einen oder anderen Geschäftsmodells von Plattform-Betreibern bedeuten, die sich haben für die Zurverfügungstellung der Vergabeunterlagen haben bezahlen lassen. In der neuen Unterschwellen-VOB vom 22. 6. 2016 kommt diese Regelung bereits im Oktober.

Sehr beachtlich ist auch die Regelung des § 36, betreffend die Form und Übermittlung der Teilnahmeanträge und Angebote:

„(1) Der Auftraggeber legt fest, ob die Unternehmen ihre Teilnahmeanträge und Angebote in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs mithilfe elektronischer Mittel gemäß § 7, auf dem Postweg, durch Fax oder durch einen anderen geeigneten Weg oder durch Kombination dieser Mittel einzureichen haben. Dasselbe gilt für die sonstige Kommunikation nach § 7, soweit sie nicht die Übermittlung von Auftragsbekanntmachungen und die Bereitstellung der Vergabeunterlagen betrifft. (2) Ab dem 1. Januar 2019 akzeptiert der Auftraggeber die Einreichung von Teilnahmeanträgen und Angeboten in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs mithilfe elektronischer Mittel gemäß § 7, auch wenn er die Übermittlung auf dem Postweg, durch Fax oder durch einen anderen geeigneten Weg oder durch Kombination dieser Mittel vorgegeben hat. Dasselbe gilt für die sonstige Kommunikation nach § 7. (3) Ab dem 1. Januar 2021 übermitteln Unternehmen ihre Teilnahmeanträge und Angebote in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausschließlich mithilfe elektronischer Mittel gemäß § 7. Dasselbe gilt für die sonstige Kommunikation nach § 7. (4) Der Auftraggeber ist zur Akzeptanz oder Vorgabe elektronisch eingereichter Teilnahmeanträge oder Angebote nach den Absätzen 2 und 3 nicht verpflichtet, wenn 1. der Auftragswert ohne Umsatzsteuer 25.000 Euro nicht überschreitet oder eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder einer Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt wird.“

Diese Bestimmung wird, wie aktuell schon im Oberschwellenbereich (§ 53 I VgV), die Verwaltungsprozesse zugunsten einer elektronischen Angebotsabgabe beschleunigen. Es genügt das Angebot in „Textform“, so dass eine Angebotsabgabe mit einfacher elektronischer Signatur (z. B. eingescannte Unterschrift in pdf-Dokument) genügt.

In § 42 UVgO sind nur die „Ungewöhnlich niedrigen Angebote“ geregelt „(1) Erscheinen der Preis oder die Kosten eines Angebots, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.“ Regelungen zum Umgang mit zu hohen Angeboten finden sich nicht.

Positiv zu verbuchen ist außerdem die Übernahme der Oberschwellen-Regelung zu Auftragsänderungen nach Zuschlag. § 47 I UVgO lautet: „(1) Für die Änderung eines öffentlichen Liefer- oder Dienstleistungsauftrags ohne Durchführung eines neuen Vergaberverfahrens gilt § 132 Absatz 1, 2 und 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entsprechend.“ Auch wenn mit dem § 132 GWB sicherlich eine in Einzelfällen kompliziert werdende Regelunge aus dem Oberschwellen-Bereich übernommen wird, so ist dies doch auch für den Unterschwellen-Bereich ein Fortschritt.

Mit der Regelung des § 48 I UVgO „Im Übrigen ist der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Zuschlag zu erteilen“  wird der Rechtsgrundsatz bekräftigt, dass nicht einmal eine Vergabekammer im Oberschwellenbereich die Vergabestelle „verurteilen“ darf, den Zuschlag zu erteilen. Das resultiert aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der auch für die öffentlichen Hände gilt. Leider hat es aber auch immer wieder Beschlüsse von Vergabekammern gegeben, die diesen Grundsatz missachtet haben.

Schließlich wird richtigerweise in § 49 UVgO der vereinfachte Regelungskodex für die Vergabe von Aufträgen für soziale und andere besondere Dienstleistungen übernommen.

Kurzes Fazit:

Der Diskussionsentwurf der Unterschwellen-Vergabeordnung (UVgO) stellt in einigen Punkten insbesondere durch den Verweis auf das Oberschwellen-Recht einen Fortschritt dar. Er führt im Unterschwellen-Bereich aber auch zu einer deutlichen, weiteren Verrechtlichung des Beschaffungswesens. Außerdem würde man sich an mehr Stellen mehr Mut zu innovativen Regelungen wünschen, insbesondere was kleinteilige Vergaben anbelangt, welche die Mühsal des Beschaffungsalltages darstellen.